Sonntag, 3. Februar 2008

Dr. Kong schreibt Tagebuch

7 Uhr 36: Noch bin ich wach, fit und guter Laune. Ich werde von meinem Telefon mit '21th Century Digital Boy' von Bad Religion geweckt. Ja, das fand ich mal sehr toll. Eigentlich immer noch. Im Bad hörte ich dann zum ersten Instant-Kaffee 'Premières Symptomes' von Air und war entzückt, wie frisch das immer noch klingt...j'ai dormi sous l'eau...eine Massage morgens um Sieben ist auch nicht das Schlimmste, was einem widerfahren kann, ehrlich. Zwei Physiotherapeuten sind krank, ob da die Rota-Viren wieder zugeschlagen haben? Jedenfalls fällt eine Therapiestunde für mich aus, und das ist ok-mehr Zeit für sinnlose Blogs. Das will doch keiner lesen, Kong. Der zweite Kaffee.
9 Uhr 54: Ich liebe Clinic. Ihre Größe ist besonders stark auf den ersten drei EP's zu spüren ('3 Eps'), wo aufs koolste Doo-Wop, Velvet Underground, Punkrock, 8-bit Sampling und Chirurgie zusammengebracht werden. Das ganze natürlich mit Frischebonus wegen unverbraucht und so. Ihre neueste Veröffentlichung, die man schon allein wegen Artwork und Betitelung ('Funf') als zwingend bezeichnen könnte, ist eine Sammlung von unveröffentlichtem Zeugs, die alles andere als verbraucht klingt, sondern auf zwölf kurzen Stücken die ganze Bandbreite des verrückten Clinic-Sounds verdeutlicht. Diese seltsamen Balladen, die hypnotischen Grooves mit Hieroglyphengesang, die Garagen-Punk-Motetten, die nach einem anderen 1966 klingen. Es gibt Momente, da ist eine bestimmte Musik so passend, dass einem fast zum Schreien zumute wäre, hätte man nicht so großen Spaß dabei. Heute ist Clinic-Tag. Bis mittags zumindest. Jetzt muss ich mich erstmal weiter durch 'Godard über Godard' quälen...anfangs meint man, einen alten Mann zu sehen, völlig von der eigenen Scharfsinnigkeit zerfressen, gefangen in einer Stream of Consciousness-Endlosschleife über die Abstraktion, den Tod. Für einen kurzen Moment glaubt man, einer der größten Visionäre der Filmkunst wäre völlig übergeschnappt, als er aus einer symbolischen Skizze zur Erläuterung der Stereophonie einen Davidstern macht und in einem Satz von Deutschland über Israel nach Palästina findet. Später beginnt man zu begreifen und sieht sich ein paar wirklich bemerkenswerten Szenen gegenüber. JLG sitzt einsam an einem Tisch und tippt auf einem Taschenrechner herum. Die 'Filmkontrollkommission' kommt herein wie die Gestapo und macht sich über seine Bücher und Filme her, die Haushälterin, der JLG später auf den Hintern klopfen wird, bemerkt, Godard habe bereits 1955 gesagt, dass man im Fernsehen niemals einen Film sähe, sondern nur Reproduktionen, ihr wird entgegnet: Schweig,Kassandra. Es gibt zwei Arten von Heimat: Die erworbene und die eroberte. Ein langhaariger Typ mit Kinnbart an der Rezeption eines seltsamen Filminstituts ist außer sich, dass die Sekretärinnen in ihrem Report nirgends die Filme erwähnt hätten, die Godard nicht gemacht hat. Godard stellt eine blinde Schnittassistentin ein, die die Kunst des Luft-Cuttens beherrscht. Aufs Bild genau. Noch mehr Mathematik, noch mehr Philosophie. Wie Gedanken Bilder werden. Und wir sind wieder an dem selben Strand, an dem wir zu Beginn des Films entlangwanderten. Nur erklingt diesmal keine Kammermusik, sondern eine düstere Kirchenorgel wie bei einer Beerdigung. Oú habitez vous? Dans le language. Das kann ich bestätigen. Il faut que je devienne universel. Wow. Während ich dies schreibe, fragt der Fernseher im Hintergrund, ob Britney Spears versucht hat, sich umzubringen. Ob ich den Fernseher umbringen sollte? Aber dann kann ich nicht mehr Grey's Anatomy kucken. Wäre wohl das Beste. Weiter mit Jean Luc. Choräle. Er filmt sich. Rauchend. Die Vergangenheit ist niemals tot. Sie ist nicht mal vergangen. Cut. Ihm gefällt, es vergangen zu sein und nicht vergangen zu sein. Latein. Jean Luc Godard mit Bommelmütze. 'Wenn es etwas Wahrheit in den Mündern der Dichter gibt, werde ich leben'. Word up, dawg. Zuletzt der Wunsch, nichts anderes zu werden als ein Mensch. Den keiner will. Und so endet das Selbstporträt eines Giganten. Ein verstörender, seltsamer, bewegender Film. Heute Abend gibt’s The Godfather. Nach Grey's Anatomy. Hier kann man ORF1 empfangen. Und FM4. Sendungen von Amazon. Rassistische Kommentare. Krapfen. Besuch. Der Tag geht und mit ihm das diesige Zwielichtwetter. Ich heiße den Abend willkommen.

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